sensations of getting lost - Eine installative Konzertperformance
90 Prozent aller Waren weltweit werden per Container verschifft: Die Containerhandelslinie zwischen Hongkong und Hamburg ist die produktivste der Welt. Doch für vieles, was auf dem Meer passiert, sind wir ‚seablind‘ (Rose George). Mehr als 1500 Container gehen jährlich über Bord und treiben auf den Meeren. Schiffe havarieren und Meeressäuger verlieren die Orientierung...
Die installative Konzertperformance des Ensemble Resonanz aus Hamburg und des Hong Kong New Music Ensembles spürt der allzu menschlichen Erfahrung des ‚getting lost‘ in fünf Kapiteln und Zuständen nach.
Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, das Goethe Instituts sowie den Arts Capacity Development Funding Scheme der Regierung der HKSAR. Unterstützt durch die Radial Stiftung und Ensemble Resonanz.
In this video work we see William Lane - violist and founder of the Hong Kong New Music Ensemble - performing 17-minutes composition by Samson Young scored for viola, a 'synthesized glass harmonica' (triggered by the breath of the performer through a breath MIDI-controller), and a triangle. In late 18 century Europe, high pitched sounds and string instruments were once believed to be harmful to the mental well-being of the listener, due to their frequencies that could potentially ‘over-stimulate the nerves’ (Kennaway, 2012). In the first video, William is seen performing the piece from inside of an audio isolation booth. In the second channel is an image of William fingering through the piece on the composer's forearm, while listening to the recording of himself in the first video. This work was performed as one of the set pieces at the Hong Kong version of the Contain project.
1. Water
This is water. A no man’s land.
2. Getting Lost
Made in China is written on the biggest part of the containers. Made in Hong Kong on some others. The hidden inside.
3. Sea blindness
We are seablind for most things happening on the ocean. Pirates. Floating containers (more than 1.500 a year).
4. Coming together
Tentacles touch each other lightly... Searching for possibilities to come together again in the dark.
5. Indifference
The middle is not boring, but creative, the philosopher Salomo Friedländer says. Only in the middle between the poles does one have the possibility to turn to the whole beyond the differences. »That is real freedom...The alternative is unconsciousness, the default setting, the rat race, the constant gnawing sense of having had, and lost, some infinite thing."
Das Verlorengehen wurde selbst zum prägenden Gefühl des Projekts: Im Mai 2019 reisten Musiker des Ensemble Resonanz nach Hongkong zu den ersten Workshops von »Contain«. Musiker des Hong Kong New Music Ensemble wurden von Folkert Uhde und Elisa Erkelenz zu globalisierten Identitäten, Freiheit - und musikalischen Korrespondenzen befragt.
Eine Woche später eskalierten die Proteste auf den Straßen Hongkongs - ausgelöst durch ein geplantes Gesetz, das die Auslieferung von Gefangenen an die chinesische Regierung ermöglichen würde. Mehrmals beteiligten sich weit über eine Million Hongkonger (13-27 % der Bevölkerung) an den Protesten.
Die Entwicklungen hatten einen starken Einfluss auf die weitere Zusammenarbeit für »contain«, ebenso wie die Pandemie, die es nun auch dem Hong Kong New Music Ensemble unmöglich macht, für diese Installation nach Deutschland zu kommen. Das ursprüngliche Thema des »Verlorengehens« ist durch die Entwicklungen sehr real geworden.
Das mehrere Jahrhunderte umspannende Repertoire von Wassenaer über John Adams und Louis Andriessen zu John Dowland wird in der Konzertinstallation selbst zum Gegenstand von Abbruchsprozessen und Orientierungsosigkeit.
Zudem sind zwei neue Arbeiten aus Hongkong und Berlin für Contain entstanden, die den klassischen Werkbegriff deutlich hinterfragen:
Die als Video zu erlebende Arbeit »Often easy, sometimes impossible« von Samson Young ist ein Satz aus einer Reihe von Kompositionen für Solobratsche – interpretiert von William Lane. Das Stück exploriert Zustände des Zuhörens und des Spielens von Musik durch einen »Container« – verbunden mit Ängsten und Isolationsgefühlen, die während der Pandemie zum globalen Phänomen wurden. In Hongkong konnte die Installation von je einem Gast besucht werden.
Simon James Phillips nutzt Musik als Methode, um die Auferlegung dominanter Systeme (einschließlich sozialer, politischer und wirtschaftlicher Strukturen) zu hinterfragen, die die Art und Weise des Seins diktieren. Sein Ansatz unterstreicht das emanzipatorische Potenzial der Musik als Medium, das alternative Strategien der Organisation und des Ausdrucks ermöglicht. Als Antwort auf das Thema von »Contain« nutzt Phillips die kollaborative Komposition, um Prozesse der gemeinschaftlichen Handlungsfähigkeit und Autonomie zu aktivieren.
Zusammen mit den Musikerinnen des Ensemble Resonanz und des Hong Kong New Music Ensemble initiierte er gemeinsame kreative Prozesse, um fünf Module zu entwickeln – nicht notiertes Klangmaterial mit flexiblen, aber klaren Parametern –, die während der Aufführung auf unterschiedliche Weise gespielt werden können. Jedes Modul wird auf eine Weise ausgelöst, die für die Musikerinnen nicht vorhersehbar ist. Entscheidungen wie Dynamik, Tempo, Artikulation und Klangfarbe müssen in Echtzeit kommuniziert und ausgeführt werden, wobei gleichzeitig auf andere im Raum stattfindende Eingaben reagiert werden muss – wie Videoprojektionen, Repertoirestücke, die Wiedergabe von Interviews, field recordings und die aufgezeichneten Module des abwesenden Ensembles (in diesem Fall des Hong Kong New Music Ensemble).
In Hong Kong wurde die Performance in Abwesenheit des Ensemble Resonanz realisiert – die Kommunikation der künstlerisch Planenden über Zoom fortgeführt. So wie der Abend selbst, lotet das Projekt immer wieder Möglichkeiten von Verbindung (connectedness) in einer zerklüfteten Gegenwart aus. Das Wasser als Element steht dabei Pate – zum Beispiel auf David Foster Wallace und seine Rede »This is Water« rekurrierend, die die Installation fragmentarisch begleitet. Wasser als Niemandsland, Wasser als Trennung, als Verbindung, als Freiheit – und als Raum des bewussten und unterbewussten Unbekannten.
Elisa Erkelenz
Violine: Juditha Haeberlin, Tom Glöckner, Swantje Tessmann und Skaiste Diksaityte
Viola: Maresi Stumpf
Violoncello: Lea Tessmann und Michael Heupel
Kontrabass: Benedikt Ziervogel
Theorbe: Andreas Arend
Sanxian und Perkussion: Stella Chan
Erhu: Cheung Hiu Fai
Xiao: Kaisan
Sheng: Loo Sze Wang
Saxofon: Charles Ng
Trompete: Edwin Wong
Klarinette: Linus Fung
Viola: William Lane
Cello: Pun Chak Yin
Kontrabass: Simon Hui
Perkussion: Ho Yi On
Konzertdesign und Video: Folkert Uhde und Tristan Braun
Dramaturgie: Elisa Erkelenz
Collaborative Composition: Simon James Phillips
12. & 13. Februar 2022: Radialsystem, Berlin
3. & 4. September 2022: The Box, Freespace Art Park, West Kowloon Cultural District Hong Kong
15. Oktober 2022: Kampnagel, Hamburg