Beethoven Klavierkonzerte

 
Making of - Beethoven
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Ein überraschend anderer Beethoven 

Gianluca Cascioli, Riccardo Minasi und das Ensemble Resonanz legen mit Beethovens Klavierkonzerten Nr. 4 und op. 61 a, letzteres eine eigenhändige Transkription seines Violinkonzerts, zwei Meilensteine der Klavierliteratur vor. Ausgehend von einer intensiven Quellenforschung im Archiv des Wiener Musikvereins und von handschriftlichen Notizen Beethovens, die teilweise erstmals entziffert wurden, haben die Interpreten das Konzert Nr. 4 mit einer neuen, alternativen Fassung des Klavierparts eingespielt – in einer »Werkgestalt, die noch abwechslungsreicher und virtuoser ausfällt« (Riccardo Minasi). 

Und plötzlich schimmert da ein Lichtstrahl in G-Dur. Zart und dolce setzt allein der Pianist an und grübelt sich in Richtung H-Dur, eröffnet ohne jegliches Spektakel das Werk. Versonnen, entrückt – sensationell.

Niemals zuvor hatte ein Klavierkonzert ohne Orchestervorspiel direkt mit einem Solo des Klaviers begonnen. Aber Beethoven tat es, als er am 22. Dezember 1808 der Wiener Öffentlichkeit mit seinem Vierten Klavierkonzert den Kopf verdrehte. Für die Zeitgenossen um 1800 war Beethovens Zugriff auf das Klavierkonzert revolutionär. Er suchte als erster Künstler nach Formen, in denen er seinen Ideen Gestalt geben konnte. In diesem Sinne war er ein »freier«, ein emanzipierter Komponist… Frei gestaltete Beethoven auch den Solopart bei seiner ersten öffentlichen Aufführung des Vierten Klavierkonzerts. Dem im Theater an der Wien anwesenden Komponisten Carl Czerny zufolge spielte er das Konzert sehr »muthwillig« und brachte »bei Passagen viel mehr Noten« an, »als da standen«. Das wusste Czerny, weil die Partitur bereits vier Monate zuvor veröffentlicht worden war. 

Von Beethovens Nachbearbeitungen hierfür gibt es heute nur eine Spur: Eine handschriftliche Partitur eines professionellen Kopisten zur Vorbereitung der Originalausgabe, die Beethovens Autografkorrekturen und Anmerkungen enthält. Interessant sind ausschließlich die Notizen in Bezug auf die Solo-Klavierstimme, die der Komponist in brauner Tinte, Rotstift und Bleistift in etwa 100 Takte kritzelte. Sie sind nur im ersten und letzten Satz vorhanden. Da Beethoven die Anmerkungen wahrscheinlich für seinen persönlichen Gebrauch geschrieben hat, notierte er sie offensichtlich teilweise in großer Eile, was das Lesen ziemlich kompliziert macht. 

Nun haben sich Riccardo Minasi und Gianluca Cascioli diesen Skizzen angenommen. Dank einer hochauflösenden Farbreproduktion des Manuskripts konnten sie Elemente entziffern, die zum Teil noch nicht zuvor entschlüsselt worden sind. Minasi hält es für sehr wahrscheinlich, dass die Verzierungen und Notizen für Beethoven selbst bestimmt waren, ziemlich sicher für die öffentliche Erstaufführung, was sich mit Czernys Beschreibungen von Beethovens Spiel decken würde. Denn die Zusätze ergeben eine überraschend andere Werkgestalt. »Es ist an der Zeit, das große Potenzial dieser Änderungen vorzustellen. Nicht nur, dass sie eine virtuosere und abwechslungsreichere Lektüre vorschlagen als die Version, die wir alle kennen. Möglicherweise kommen auch sie dem sehr nahe, was Beethoven selbst im Dezember 1808 gespielt hat« meint Minasi. 

In der langfristig ausgelegten Zusammenarbeit des Ensemble Resonanz und Riccardo Minasi mit dem Label Harmonia Mundi steht Repertoire des 18. Jahrhunderts im Mittelpunkt. Dirigent und Ensemble haben in den bereits vorliegenden Einspielungen dieser Reihe (CPE Bach, Haydn, Mozart, Pergolesi) ein ganz eigenes Klangbild entwickelt und auf modernen Instrumenten gleichermaßen historisch begründete wie zeitgenössische Interpretationen vorgelegt.