»Kunst ist nun mal kein Lutschbonbon vor dem Schlafengehen.«
Ein Multiversum zum Auftakt der 20. resonanzen-Spielzeit. John Adams schickt Streicher auf Achterbahnfahrt durch oszillierende Loops bis bei Vivaldi das Eis knackst. In Spiralen der Erinnerung drehen Welt und Programm sich weiter: mit Bruckner ins kammermusikalische Ensemble-Herz, mit Nono in die Revolution, mit Lachenmann in die Reflexion. Ein Saisonstart in wechselnden Musizierhaltungen. Der Rest ist Denken.
Was klingt in Ihnen, wenn Sie dieses Wort lesen? Was für ein unglaublich schönes Wort: Tusch. Und obwohl es sich vermutlich ursprünglich vom französischen Wort »toucher« – also berühren, anschlagen – ableitet, ist es ganz und gar deutsch. Unübersetzbar.
Das Wörterbuch kennt keine auch nur annähernd treffende Übersetzung, nicht im Englischen, nicht im Französischen, nicht im Italienischen, nicht im Spanischen. Der Tusch ist vermutlich süddeutsch sogar, wo das Wort Mitte des 18. Jahrhunderts erstmals nachgewiesen wurde. Aber – vielleicht waren sie gerade dort im Urlaub und haben die Sprachgebung noch im Ohr – ein süddeutscher »Tusch«, mit weichem t, klingt gleich viel gereinigter als ein hanseatischer »Tusch«, mit hartem t, den Sie, liebe Leserin, lieber Leser, sicher zurecht heute erwarten.
Schließlich gibt es etwas zu feiern! 20 Jahre! Das ist allemal einen Tusch wert. Zumal ein Tusch in nordischen Gefilden sicherlich etwas rarer ist als im Rheinland, von wo ich Ihnen schreibe, wo der Tusch ja nicht nur so sicher ist wie das Amen im Gebet, sondern auch so inflationär wie die kleinen Sünden, die der liebe Gott, an den Anton Bruckner noch glaubte … Bitte verzeihen Sie, es geht mit mir durch. Resonanzen mit Tusch, endlich findet zusammen, was zusammengehört, denn ein Tusch ohne Resonanz, unvorstellbar wäre das, und nun auch endlich resonanzen mit Tusch! Dass diese Streicher Töne tupfen können, wie hingetuscht, das wussten wir bereits, und wenn diese bezaubernden Musiker*innen irgend etwas bislang heimlich und feinsinnig wie sie sind vor uns vertuscht hatten, dann vielleicht nur die Neigung zum Tusch, zum großen Aufschlag, zum lauten BÄMMM. Wobei ein Bämmm auch kein Tusch wäre, ein Bämmm ist viel zu sehr ein Bumms, mit viel zu wenig Tsching und Derassa. Aber angemessen wäre es auch.
Fanfare, Tusch: Happy birthday, resonanzen! Tätääää! Here we go.
John Adams (*1947) aus Shaker Loops: Loops & Verses + Antonio Vivaldi (1678-1741) aus Vier Jahreszeiten: Violinkonzert f-Moll RV 297 »Der Winter«
16:06
Luigi Nono (1924-1990) Varianti – Musik für Violine solo, Streicher und Holzbläser
17:09
Anton Bruckner (1824-1896) aus Streichquintett F-Dur: Adagio, Fassung für Streichorchester
15:24
Helmut Lachenmann (*1935) Marche fatale, Fassung für Kammerorchester
06:39
John Adams (*1947)
aus Shaker Loops: Loops & Verses
Antonio Vivaldi (1678-1741)
aus Vier Jahreszeiten: Violinkonzert f-Moll RV 297 »Der Winter«
Luigi Nono (1924-1990)
Varianti – Musik für Violine solo, Streicher und Holzbläser
Anton Bruckner (1824-1896)
aus Streichquintett F-Dur: Adagio, Fassung für Streichorchester
Helmut Lachenmann (*1935)
Marche fatale, Fassung für Kammerorchester
Ilya Gringolts
Violine und Leitung (Bruckner)
Stefan Asbury
Dirigent (Nono, Lachenmann)
Ensemble Resonanz