Programmhefttext zu G.F. Haas von Patrick Hahn
Der Titel Release – »Befreiung« – spielt sicher nicht nur auf das erlösende Gefühl an, das für die ganze Stadt und die internationale Musikwelt von der Eröffnung der Elbphilharmonie ausgeht. Haas beschränkt sich auch nicht auf die »freigelassenen Klänge« allein.
Die Widmung an die berühmte amerikanische Sexualtherapeutin Barbara Carrellas verweist auf die befreienden – oder sollte man sagen: entsichernden Erfahrungen, die Georg Friedrich Haas in den vergangenen Jahren in New York mit seiner neuen Ehefrau Mollena Lee Williams-Haas gemacht hat.
In mehreren großen Interviews hat Haas beschrieben, wie die Entdeckung seiner lange unterdrückten Sexualität ihn befreit und auch als Künstler zu neuer Schaffenskraft beflügelt hat. Zugleich blickte er schonungslos auf seine Familienbiografie und sah auch hier seinen eigenen Abgründen ins Gesicht.
Dass Haas sich dafür entschieden hat, diese privaten Themen öffentlich zu verhandeln, hat vermutlich unmittelbar mit seinem Ethos als Künstler zu tun: als Mensch, der mit seinem Leben und seinem Schaffen beispielhaft eintritt für die bedrohte Utopie der Freiheit. Die ekstatischen Qualitäten, die von den intensiven Obertonspielen des Komponisten ausgehen, können den Hörer über sich und aus sich herausführen. Ins Offene, hätte Hölderlin, den Georg Friedrich Haas oft vertonte, vielleicht gesagt. Nur keine Angst vor dieser Schwelle.