Maria Gnann über Mozarts Sinfonie Nr. 41
Mozart hantiert geschickt mit der konventionellen Tonart C-Dur, barocken Formen wie der Ouvertürenform im ersten Satz und einer Art Fuge im letzten Satz. Gleichzeitig verwebt er ein Zitat aus einer komischen Arie und Themen im Stil der opera buffa. Eine extraordinäre Verbindung von Gesetz und Freiheit.
Der tragikomische Ton des ersten Satzes erinnert an seine späten Opern. Obwohl strahlendes C-Dur gelegentlich jubelt, kommt kein Pathos auf. Mozart gelingt es einmal mehr, durch ständiges Hinterfragen, immerwährendes Fortwandeln weder hart oder pathetisch noch bierernst zu werden. Er lässt anfangs die Pauke triumphieren, dann die Streicher glissandi-artig scherzen, dann verhalten sinnieren. Die Ausdrucksskala ist enorm, ständig neue Reize berühren, begeistern, reißen mit. Später schockt ein Orchestersturm in c-Moll, dann wieder blitzt der Schalk hervor beim heiter tänzelnden Thema, das Mozart aus seiner komischen Arie Un bacio di mano zitiert. Dort warnt ein französischer Mann von Welt seinen Freund vor den Gefahren des Flirtens mit schönen Mädchen: »Ihr seid ein wenig naiv, mein lieber Pompeo, geht und studiert, wie es auf der Welt zugeht.« Es handelt sich um das ausführlichste Opernzitat in Mozarts Instrumentalmusik, das in Wien durchaus bekannt war. Einerseits spielte Mozart in Gedanken offensichtlich wieder mit der Reaktion des Publikums und gleichzeitig bereicherte er die Ausdrucksmöglichkeiten seiner sinfonischen Komposition.
Im zweiten Satz, dem Andante cantabile, überträgt Mozart im wahrsten Sinne des Wortes Gesanglichkeit auf die Orchesterinstrumente. Kaum ein Begriff hat Mozart so beschäftigt wie der des Cantabile. Gedämpfte Violinen und Holzbläser bringt er also zum Singen – vielleicht von einem verhaltenen Glück oder der Sehnsucht nach dem Leben an sich?
Mozarts Einfallsreichtum ist noch lange nicht erschöpft. Sein Menuett beginnt er mit fallender Chromatik – das hätte sich vor ihm kein Mensch einfallen lassen! Die abstürzende Linie fängt er mit tänzerischen Akkorden auf. Lyrisches und Lustiges, Festliches und Legeres wirbeln durcheinander, als wolle Mozart ein höfisches Ensemble mit einem Bauernpaar verkuppeln.
Im Mittelteil – dem Trio– lässt der Komponist schon mal einen Blick auf den Finalsatz erhaschen. Eine Vorform des 1. Themas des letzten Satzes blitzt auf – darüber hinaus ist es eine musikalische Signatur wie die Tonfolge b-a-c-h bei Bach. Mozart verwendet das Thema in zwölf weiteren Werken. Es beginnt mit der berühmten Viertonfolge c-d-f-e. Sie gehört zum Urbestand der Kontrapunktlehre und dient Mozart als markante Kernzelle seines genialen fugenhaften Werkens, die diesen Satz durchzieht und in der Coda mit der Verarbeitung von fünf unabhängigen Themen geradezu unerhört endet. Das eigentlich Wunderliche daran: Dass Mozart die Strenge und Konzentration mit Anmut und Leichtigkeit durchbricht. Nicht versöhnend, sondern parallel bestehend, ständig weiter fließend. Der Satz endet strahlend. Ein Fest des Lebens mit all seinen Facetten. Perfekt in Balance trotz unüberschaubarer Gleichzeitigkeit der Dinge. Die goldene Mitte, der Nabel der Welt. Das Finale der C-Dur-Sinfonie ist ein prächtiges Beispiel dafür, wie kunstvoll Mozart Kunstfertigkeit verbergen konnte. Das Schwere wird bei Mozart leicht, das Alte neu, das Strenge witzig, der Schalk ehrlich.
Text: Maria Gnann