Helmut Lachenmann zu seinem Streichquartett »Reigen Seliger Geister«
»Nach dem Abenteuer in meinem ersten Streichquartett ›Gran Torso‹ mit exterritorialen Spielformen am Instrument – heute längst von anderen touristisch erschlossen – hier der Rückgriff auf Intervallkonstellationen (›Text‹) als ›Fassade‹, als ›Vorwand‹ (›prétexte‹), um bei deren Realisation die natürlichen akustischen Ränder des hervorgebrachten Tones, seiner timbrischen Artikulation, seiner Dämpfung, beim Verklingen, beim Stoppen der schwingenden Saiten (zum Beispiel auch die Veränderung des Geräuschanteils beim Wandern des Bogens zwischen Ponticello und Tasto) durch die ›tote‹ Tonstruktur hindurch zum lebendig gemachten Gegenstand der Erfahrung zu machen. So wurden spieltechnisch bestimmte Aktionsfelder inszeniert, verwandelt, verlagert, verlassen, verbunden. Das Pianissimo als Raum für ein vielfaches Fortissimo possibile der unterdrückten Zwischenwerte: Figuren, die mit verlagertem Bogenstrich im tonlosen Rauschen verschwinden oder auftauchen, das Pizzicato-Gemisch, das trotz seines flüchtigen Verklingens dennoch vorzeitig teilweise gedämpft, ›ausgefiltert‹ wird. Wenn man so will: ein Plädoyer der Phantasie für des Kaisers neue Kleider.«