Patrick Hahn zu Palestrina
Dass die Evolution, ein nach naturwissenschaftlichem Dafürhalten zufälliger Prozess, Bewusstsein hervorgebracht hat, in dem sich die Evolution selbst erkennen kann, ist faszinierend. Der idealistische Philosoph Friedrich Schelling hat diesen Prozess so formuliert: »Die Natur schlägt im Menschenihre Augen auf und bemerkt, dass sie da ist.« Im Menschen ist der Umschlagpunkt zwischen Natur und Geist. Das ist nicht umsonst zu haben und Begegnungen mit dem Geist, insbesondere mit dem Heiligen Geist, können auch in hohem Maße verwirrend sein. Dies zeigt das Pfingstereignis, wie es in der Bibel beschrieben ist: Als der Heilige Geist auf die Menschen herabkommt, sprechen sie in Zungen, das heißt, sie reden in einer unverständlichen Sprache und verstehen einander nicht mehr. Der Heilige Geist und seine Zusammengehörigkeit mit Gottvater und Jesus Christus ist eine geradezu mystische Seite der christlichen Theologie. Das Verhältnis dieser drei Erscheinungsweisen Gottes ist bis heute Streitpunkt zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche und im Jahre 809 wurde gar ein eigenes Konzil einberufen, die Aachener Synode, mit dem Ziel, die Formulierung im Glaubensbekenntnis einheitlich zu formulieren: Stammt der Heilige Geist nur aus dem Vater oder auch aus dem Sohn? Zu diesem Anlass vermutet man, schuf der Mönch, Universalgelehrte und Erzbischof von Mainz Rabanus Maurus die Verse des Pfingsthymnus Veni creator spiritus. Sie sind seither viele Male vertont und zitiert worden – bis ins 20. Jahrhundert hinein von Komponisten wie Gustav Mahler, Bernd Alois Zimmermann, Krzystof Penderecki oder Peter Maxwell Davies (dessen Vertonung aus dem Jahr 2002 übrigens bei der Hochzeit von Prince William und Kate Middleton aufgeführt wurde). Die Version von Giovanni Pierluigi da Palestrina ist ein frühes Beispiel, wie der gregorianische Hymnus von den Komponisten aufgegriffen worden ist: abwechselnd zwischen Choralsatz und Polyphonie erinnert Palestrina hier an das Pfingstgeschehen – und erweitert in der Doxologie, also der Lobpreisung Gottes, den vierstimmigen Satz um eine weitere Stimme. Als ob der Heilige Geist hier noch hinzuträte.