Maria Gnann zum Programm »rachen«
Ein schleimiger Muskelschlauch, das ist der Rachen. Er ermöglicht das Schlucken, leistet einen wichtigen Beitrag zur Immunabwehr und verbindet die Mundhöhle mit der Speiseröhre sowie die Nasenhöhle mit der Luftröhre.
Obwohl er wichtige Funktionen unseres Daseins steuert, sprechen wir selten über ihn, es sei denn, er stört. Wenn er kratzt, rot ist oder entzündet. Im übertragenen Sinne gebrauchen wir das Wort fast nur mit negativer Konnotation: Wir »werfen etwas in den Rachen« oder stopfen ihn, wenn jemand unersättlich scheint – wenn er also »den Rachen nicht voll genug kriegen kann». Oder wir »entreißen dem Rachen«, was wir in allerletzter Sekunde retten wollen. Lyriker benannten den Höllenschlund nach ihm oder das Maul eines Raubtieres. Ihm zu entkommen ist schwierig, denn befindet sich etwas bereits im Schlund, wird es geschluckt oder weggeatmet. Einer, der sich gerne gegen Unmögliches auflehnte, das war Ludwig van Beethoven – kein Wunder, dass ihm seine Zeitgenossen also zutrauten, sich gar dem Rachen der Hölle entgegen zu stellen.
Rachen. Das Wort rollt gerade so durch die Kehle, ein faszinierender Klang, der auch ein wenig unheimlich daherkommt, wegen der gutturalen Laute. Ganz ähnlich formt unsere Gurgel das hebräische Wort rûah (רוּחַ). Wer es in den Mund nimmt, bildet im Rachen einen lautmalerischen Geräuschklang, der einem starken Windhauch oder Atemstoß ähnelt. Wind, Hauch, Atem – dafür steht rûah auch im Alten Testament. Weiter hinten im Text kommt aber noch eine weitere Bedeutung hinzu, die wir im Deutschen mit „Geist“ übersetzen. Zum Beispiel, wenn der Erzähler berichtet, von der »rûah« Gottes an einen anderen Ort gebracht worden zu sein. Wenn Jesus von Nazareth die Bedeutungen des Wortes rûah gebraucht hat, so hat er den aramäischen Begriff rwh verwendet. Und natürlich ist es kein Zufall, dass Mark Andre sein neuestes Werk für Ensemble und Elektronik so getauft hat.