Über letzte Worte – ein Text von Thilo Braun
Letzte Worte, meinte Mark Twain einmal, muss man sich gut überlegen. Ein vernünftiger Mensch sollte sie in Ruhe mit Freunden und Bekannten beratschlagen, in keinem Falle aber darauf vertrauen, dass ihn kurz vor dem letzten Atemzug eine »geistvolle Eingebung in die Lage versetzt, etwas Brillantes von sich zu geben.«
Karl Kraus, Satiriker und Intellektueller der ersten Wiener Republik, hat diesen Ratschlag offensichtlich befolgt. Denn was brächte seine Gabe zur pointierten Gesellschaftskritik besser auf den Punkt als: »Pfui Teufel!« Nur zwei Sterbenswörtchen braucht er, um 1936 die Einschätzung der politischen Situation ebenso klarzustellen wie seinen Standpunkt zum Sterben überhaupt. Ob Karl Kraus diese Worte so wirklich gesagt hat oder nicht, ist im Grunde nebensächlich. Wir akzeptieren sie, weil das Gesagte einfach so gut zum Bild passt, das wir als Andenken von ihm behalten möchten.
Letzte Worte haben Gewicht. Für den Sterbenden weniger als für die Nachwelt, die hofft, durch sie wie durch ein Schlüsselloch ewige Wahrheit schimmern zu sehen.Die vermutlich berühmtesten letzten Worte stammen von Jesus Christus. Sie bündeln die Essenz der christlichen Botschaft und spenden zugleich Orientierung und Mitgefühl für alle, die im Angesicht des Todes nach Halt suchen.
Sie zeigen einem Abschied in Frieden, mit Vergebung trotz erfahrenem Unrecht, mit fürsorglichem Blick auf die Hinterbliebenen. Auch die eisige Einsamkeit des Todes kommt zur Sprache: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?«, ergänzt durch das Versprechen auf ein Leben im Paradies und einen göttlichen Plan hinter den vielen Fragezeichen der Welt.
Im Sterben sind wir alle unerfahren. Dass da viele Leute im Zweifel lieber Gott vertrauen als den Teufel an die Wand zu malen, ist durchaus verständlich. Das Problem mit den eigenen Sterbensworten ist damit natürlich noch nicht gelöst.