Text zu Hans Zenders »Hölderlin lesen I«
Viel hab’ ich dein
Und deines Sohnes wegen
Gelitten, o Madonna,
Seit ich gehöret von ihm
In süßer Jugend;
Denn nicht der Seher allein,
Es stehen unter einem Schiksaal
Die Dienenden auch. Denn weil ich
Und manchen Gesang, den ich
Dem höchsten zu singen, dem Vater
Gesonnen war, den hat
Mir weggezehret die Schwermuth.
Doch Himmlische, doch will ich
Dich feiern und nicht soll einer
Der Rede Schönheit mir
Die heimatliche, vorwerfen,
Dieweil ich allein
Zum Felde gehe, wo wild
Die Lilie wächst, furchtlos,
Zum unzugänglichen,
Uralten Gewölbe
Des Waldes,
das Abendland,
und gewaltet über
Den Menschen hat, statt anderer Gottheit sie
Die allvergessende Liebe.
Denn damals sollt es beginnen
Als
Geboren dir im Schoose
Der göttliche Knabe und um ihn
Der Freundin Sohn, Johannes genannt
Vom stummen Vater, der kühne
Dem war gegeben
Der Zunge Gewalt,
Zu deuten
Und die Furcht der Völker und
Die Donner und
Die stürzenden Wasser des Herrn.
Denn gut sind Sazungen, aber
Wie Drachenzähne, schneiden sie
Und tödten das Leben, wenn im Zorne sie schärft
Ein Geringer oder ein König.
Gleichmuth ist aber gegeben
Den Liebsten Gottes. So dann starben jene.
Die Beiden, so auch sahst
Du göttlichtrauernd in der starken Seele sie sterben.
Und wohnst deswegen
und wenn in heiliger Nacht
Der Zukunft einer gedenkt und Sorge für
Die sorglosschlafenden trägt
Die frischaufblühenden Kinder
Kömmst lächelnd du, und fragst, was er, wo du
Die Königin seiest, befürchte.
(Friedrich Hölderlin)